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Mittwoch, 7. Februar 2024

Varieté und Revue - achtzehnter Exkurs


 
In den 1950er und 60er Jahren feierte die „Wiener Eisrevue“ auf ihren Europa-Tourneen große Erfolge. Ihr Markenzeichen war die „operettenhaft“ anmutende Inszenierung vieler Programme. Die von Robert Stolz komponierte Musik wurde dabei von einem Live-Orchester gespielt.
Während sich die Programme so deutlich von den Eisrevuen nach amerikanischem Muster abhoben, ähnelten die Programmcover und Plakate sehr den zumeist von bekannten Pin-Up-Künstlern gestalten Arbeiten für Produktionen anderer Shows. Insbesondere die nachfolgenden Titel von Siegfried Krupitz (1929-2013) erinnern deutlich an amerikanische, aber auch französische (O'Kley) Cover.




Freitag, 5. Januar 2024

"Der Plakatmaler der Theater- und Artistenwelt"

 

Im Mai-Heft 1919 der Zeitschrift „Das Plakat“ erschien ein reich bebilderter Artikel von Josef Holzinger über den Plakatmaler Jo(sef) Steiner (1877-1935), daraus folgender Textauszug und die Abbildungen:
Er schuf das moderne Bildnisplakat. Daher er auch der Plakatmaler der Theater- und Artistenwelt geworden ist.
Das alte Plakat dieser Gebiete brachte immer die Photobildnisse der betreffenden Künstler, meistens Zirkus- und Varietéleute. Da wurde die ganze 'Schönheit' des Künstlers nach der Auffassung und Mode des alten Fachphotographen ins Plakat übertragen. Der betreffende Kopf wurde 'schön und fesch' in Kreide lithografiert und mit den drei Grundfarben zart und fein angekreidet.
Steiner gab seinen Plakaten gleich ein anderes Gepräge. Er ließ das Photo beiseite und gab seinen Modellen das Aussehen, das sie auf der Bühne hatten oder haben wollten. Er hielt sich deshalb nicht an herkömmliche Form und Farbe." 




Dienstag, 28. November 2023

Varieté und Revue – neunzehnter Exkurs

 
Programm Admiralspalast 1937 (Josef Fenneker)

Bemühungen, die bereits in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg als „verstaubt“ angesehene Operette aufzupeppen und ihr neuen Schwung zu verleihen, fruchteten insbesondere in Berlin, wo die sogenannte „Revueoperette“ namentlich im Metropol-Theater zu einer festen Größe im Angebot leichter Unterhaltung avancierte.
Wie der Name sagt, spielten große Ballettformationen und aufwändige Ausstattungen in den Inszenierungen eine große Rolle, die Handlung trat hingegen in den Hintergrund und die Musik orientierte sich vor allem an der aktuellen populären Unterhaltungsmusik.
Um das Jahr 1930 herum verdrängte die Revueoperette sogar die große Revue in deren bisherigen Heimstätten Admiralspalast und Großes Schauspielhaus.
Ihr Erfolg hielt bis weit in den Krieg an. In dieser Zeit stehen insbesondere die Werke Heinz Hentschkes für unbeschwerte Unterhaltung ganz im Sinne der damaligen Machthaber.

Programm Großes Schauspielhaus 1932 (Paul Scheurich)

Programm "Maske in Blau", Metropol 1937 (Eleonora Rozanek)

Metropol 1942 (Notentitel von Kurt Hilscher)

Mittwoch, 15. März 2023

Väter der Klamotte


1947 gastierte Buster Keaton im Pariser Circus Medrano 
(Programmcover von Jean-Adrien Mercier) 

Viele der Stars aus den Anfängen des Kintopp arbeiteten zunächst auf Unterhaltungsbühnen oder im Circus – allen voran Fern Andra, deren akrobatische Talente in zahlreichen ihrer Filme zum Tragen kamen.
Auch Harold Madson, der kleine Patachon aus dem Duo Pat und Patachon, war zeitlebens dem Circus verbunden.
Komiker wie Madson entstammten besonders häufig der Welt des Showbusiness, u.a. die Marx Brothers, W. C. Fields, Charley Chase, die Drei Stooges, Charlie Chaplin, Fatty Arbuckle, Stan Laurel, James Finlayson und Buster Keaton hatten ihre Wurzeln im Vaudeville bzw. der Music-Hall.
Letzterer, der als Kind im amerikanischen Vaudeville eine im wahrsten Wortsinne besonders harte Schule durchlaufen hatte, avancierte zu einem der erfolgreichsten Stummfilm-Komiker, musste aber in den 1940er Jahren infolge persönlicher und finanzieller Krisen wieder in Bühnenshows und im Circus auftreten.
Keatons Komik ähnelte der stoischer Circusclowns wie Otto Griebling und Emmett Kelly, die fernerhin gleich Charlie Chaplin den Typ des mittellosen Tramps verkörperten.
Von ganz anderer, aber ebenfalls clownesker Art war die Komik von Stan Laurel und Oliver Hardy, die wiederum Clowns inspirierten, in jüngerer Vergangenheit zum Beispiel die Schweizer Gaston und Roli.
Weit mehr allerdings beeinflusste Charlie Chaplin zahlreiche Clowns, darunter Größen wie Karandasch oder Celito und Charlie Rivel.
Andere Künstler zeigten eine weitgehende Ähnlichkeit ihres sehr „speziellen“ Humors ohne direkt erkennbare Bezüge. In besonderer Weise trifft dies auf die großartigen spanischen Circusclowns „Los Rudi Llata“ und die Marx Brothers zu, zwischen denen zweifellos eine gewisse Art von „Seelenverwandtschaft“ bestanden haben muss.  



Dienstag, 7. März 2023

Wanderer zwischen den Welten


Programm mit Popov im Leningrader Circus 1974
 
Neben „Karandasch“ (siehe Post „Verdienter Clown der Volkes“) war Oleg Popov (1930-2016) der wohl bekannteste Clown der „Russischen Schule“, wobei seine Popularität vor allem aufgrund seiner frühen Beteiligung an Auslandsgastspielen des „Moskauer Staatszirkus“ schon bald über die Grenzen der ehemaligen Sowjetunion hinausreichte. Popov genoss auf beiden Seiten des "Eisernen Vorhangs" Star-Status und wurde in einem Atemzug mit Grock und Charlie Rivel genannt.
Wie viele russische Circuskünstler hatte Popov eine umfassende akrobatische Ausbildung genossen. Gerade seiner Clownfigur, die den Typ des unbekümmerten, verspielten Gesellen verkörperte, kam dies sehr zu gute: In viele seiner Nummern baute er auf spielerische Weise akrobatische Kunststücke wie eine Jonglage auf dem Schlappseil ein.
In den drei letzten Jahrzehnten seines Lebens trat der große Clown vornehmlich in Westeuropa auf und lebte seit den frühen 1990er Jahren in Deutschland. Circusse die den „letzten großen Circusclown“ engagierten, setzten erfolgreich auf seinen werbewirksamen Weltruhm, wobei die Auftritte des alternden Clowns mehr noch als zuvor von zurückhaltender Mimik und Gestik waren und auf „leise“ Komik setzten.

1999 war Popov Reklamenummer des dänischen Circus Arena. 
Das Plakat- und Covermotiv stammt unverkennbar von Jeppe Eisner. 

Bild auf einer russische Zündholzschachtel von 1969

1974

Donnerstag, 2. März 2023

Kinderbuchkunst

 
René Villiger

Im Post „Kinderkram“ ging es um Gebrauchsgrafiker, die in ihren Anfängen für Circusse arbeiteten und späterhin zu sehr populären Kinderbuch-Illustratoren avancierten. Hier werden nun exemplarisch besonders ansprechende „circensische Gelegenheitsarbeiten“ von drei Künstlerinnen und Künstlern in ihrer jeweils typischen „Handschrift“ vorgestellt, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Illustrationen für Kinderbücher bereits einen Namen hatten:
Der eidgenössische Künstler René Villiger (1931-2010) wurde u.a. durch seine Bilder zu „Alois“ von Max Bolliger (1968) auch als Kinderbuchillustrator bekannt. Dem Plakat- und Programmmotiv für den Circus Nock aus den 1970er Jahren folgte Ende der 1990er noch Arbeiten für Alfredo Nocks Weihnachtscircus-Produktionen.
Walter Schmögner war Kommilitone des späteren Roncalli-Direktors Bernhard Paul an „der Graphischen“ in Wien und schuf eines der ersten Roncalli-Plakate. Das bekannteste seiner vielen Kinderbücher, „Das Drachenbuch“ von 1969, wurde zum Klassiker, der zuletzt 2010 neu aufgelegt wurde.
Edit Szalma ist in ihrer ungarischen Heimat vor allem auch mit ihren Kinderbuch-Illustrationen sehr erfolgreich. Bezüglich ihrer Circus-Arbeiten lässt sich strenggenommen kaum von „Gelegenheitsarbeiten“ sprechen, ist der Circus doch eines der Lieblingsthemen der überaus fantasiebegabten Grafikerin.
Die Auswahl ließe sich um viele Beispiele erweitern, wobei einige Circusse wie der New Yorker Big Apple-Circus Plakate und Programmcover besonders häufig von bedeutenden Illustratorinnen und Illustratoren gestalten ließen bzw. lassen.

Walter Schmögner (Bildpostkarte eines Plakats)

Edit Szalma

Mittwoch, 1. Februar 2023

Musentempel

 
Pantomimenheft des Circus Albert Schumann

Das Gebäude des 1985 abgerissenen alten Berliner Friedrichstadtpalastes hatte infolge oftmaliger umfassender Umbauten kaum nach etwas mit dem ursprünglichen Bau, der 1869 eröffneten großen Markthalle, gemein. Ihren ursprünglichen Bestimmungszweck erfüllte die Halle dabei nur sehr kurze Zeit. Bald schon wurde sie von Albert Salamonski zum Circus umgewandelt. Ihm folgten die Circusdirektoren Ernst Renz und Albert Schumann, die das Gebäude ihren steigenden Ansprüchen entsprechend ständig modernisierten und ausbauten.
Nach dem ersten Weltkrieg ließ Max Reinhardt den Circus in ein großes Theater für besonders aufwändige Inszenierungen umwandeln. Das nun „Großes Schauspielhaus“ genannte Gebäude diente Erik Charell seit Mitte der 1920er Jahre zudem als Aufführungsstätte für seine gewaltigen Revuen.
In der DDR schließlich war das Haus, das während der Zeit des Nationalsozialismus als "Theater des Volkes" vornehmlich Operetten zeigte, unter dem Namen „Friedrichstadtpalast“ das bedeutendste Varieté- und Revuetheater.

Programmheft der Revue "Für Dich" 1925/26
Das Cover ist eine der wenigen bekannten gebrauchsgrafischen 
Arbeiten des Künstlers und Geheimagenten Gert Caden.

Programmheft um 1941

Programmcover von Kurt Hilscher (1949)

Donnerstag, 19. Januar 2023

RevueCircus

 
Die Bühnenbildnerin der Show Kordula Günther versah auch das 
Programmheft mit sehr hübschen Illustrationen. 

1941 inszenierte Eduard Duisberg die "Zirkus-Revue Manegenzauber" an "seiner" Scala. Das Circus-Thema wurde trotz der interessanten dramaturgischen Möglichkeiten eher selten für Revue-Inszenierungen bemüht, so zum Beispiel 1935 im Londoner Alhambra-Theater mit Erik Charells Produktion "The Flying Trapeze" oder 1959 im Pariser Lido mit dem großen abschließenden Programmteil "Le Cirque de Lido".  
Sehr viel weiter ging man 1986 im Berliner Friedrichstadtpalast mit der die Produktion „Revuezirkus“ unter Einbeziehung verschiedener Darbietungen des Staatszirkus.: „Revuetheater und Zirkus sind einander begegnet in beidseitiger Zuneigung, um auf Zeit eins zu werden zu überraschendem Vergnügen und vergnüglicher Überraschung.“
Eine längerfristige Verbindung gingen Revue und Circus im Pariser Empire ein. In den Jahren 1924 bis 1933 präsentierten Henri Varna und Oscar Dufrenne in ihrem „Music-Hall-Cirque“ erfolgreich Programme, die beide Unterhaltungsformen miteinander verbanden. 1936 und 1937 stand die große Unterhaltungsstätte mit ihren 3000 Plätzen unter der Leitung der Brüder Amar, die als Circusdirektoren dem Programm einen neuen Stempel aufdrückten. Auch wenn Revue-Elemente beibehalten wurden, schlug das Pendel unter den Amar-Brüdern wie ein halbes Jahrhundert später im Friedrichstadtpalast  deutlich in Richtung circensischer Künste aus.

1928

1936

Montag, 16. Januar 2023

Vom Zettel zur Hochglanz-Broschüre

 
Programmzettel des Circus E. Blumenfeld Wwe 1910

Die Programme, die im 19. und bisweilen auch noch im beginnenden 20. Jahrhundert in den Vorstellungen erhältlich waren, entsprachen häufig den Anschlagzetteln. Mitunter eigens angebotene Programmzettel unterschieden sich nur wenig. Sie waren kleiner und enthielten seltener Abbildungen oder genaue Gastspieldaten. Stattdessen wurde die Programmfolge oftmals etwas ausführlicher beschrieben.
Mit der Verbreitung der Farblithografie gegen Ende des 19. Jahrhunderts und dem Aufkommen des vorrangig auf visuelle Wirkung ausgerichteten Farbplakats kam die Funktion, über die Inhalte der Vorstellung zu informieren, vor allem dem Programmzettel zu. Dieser Bedeutungszuwachs und die zunehmend größeren und preiswerteren drucktechnischen Möglichkeiten wirkten sich auf die Gestaltung der Programme aus und bald schon erschienen farbig illustrierte Zettel, aber auch Hefte, denen die aktuelle Spielfolge des Öfteren beigelegt war.

Ein ansprechendes Cover war ein wichtiger Anreiz zum Kauf eines Programmheftes und nicht selten verbarg sich zwischen einem attraktiv gestalteten farbigen Umschlag ein in jeder Hinsicht dünner Inhalt.
Programmhefte ermöglichten aber nicht nur durch ihren Verkauf willkommene Nebeneinnahmen, sondern auch durch die Anzeigenwerbung. Eigens die für Gastspielstädte gedruckte Programme oder Einlagen, wie sie größere Unternehmen in den 20er und 30er Jahren anboten, enthielten besonders zahlreiche Annoncen der lokalen Geschäftswelt und Gastronomie.

Das Programmheft stellte für viele Circusse eine Art Visitenkarte dar. Unternehmen, die etwas auf sich hielten, verfügten schon früh über umfangreiche, informative Programme, deren Cover ihren Charakter oder Anspruch spiegelten und oft eigens von mehr oder weniger bekannten Grafikern gestaltet wurden. Plakatmotive hingegen dienten zunächst eher selten als Programmtitel.
Besonders häufig zierte anspruchsvolle Grafik die Titel der Programmhefte von Produktionen in den festen Circusgebäuden der Metropolen. Die Circusse waren Teil des großstädtischen Unterhaltungsangebotes, konkurrierten mit Varietés, Kabaretts, Revue- und Boulevardtheatern und glichen sich diesen in der Außenwirkung bis hin zur Gestaltung ihrer Plakate und Programmhefte an.

Großformatige Programme wurden bisweilen als „Magazin“ oder „Illustrierte“ bezeichnet. Oft handelte es sich dabei um reich bebilderte Programmhefte mit Hintergrundinformationen und unterhaltenden Beiträgen wie beispielsweise die Magazine der großen amerikanischen Circusse.
Um die Jahrtausendwende nahmen einige aufwändig gestaltete, informative Hochglanz-Programme bzw. „Magazine“ oder „Illustrierte“ wie die des Circus Roncalli einen solchen Umfang ein, dass sie nicht mehr geheftet werden konnten. Aus dem ursprünglich einseitig gedruckten Programmzettel und seinem Nachfolger, dem Programmheft, war ein umfangreiches, großformatiges Paperback-Druckwerk geworden. 

Programmzettel des Circus Sarrasani 1911

Programmheft des Circus Jakob Busch 1939

Programmheft des Schweizer Circus Olympia (Gasser) 1969

Dienstag, 3. Januar 2023

Mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung

 
Anschlagzettel des Circus Blennow von 1860

Das Publikum beteiligte sich indessen sehr bedeutend an diesem ersten Abend, für den auf riesengroßen, farbigen Anschlagzetteln Außerordentliches versprochen worden.“ (Friedrich Gerstäcker: Der Kunstreiter. 1861)

Mit dem Anwachsen der Städte und der zunehmend engeren Einteilung des Alltags in Arbeits- und (wenige) Freizeit hatten sich die Bedingungen für fahrende Unterhaltungskünstler geändert. Es war nun sinnvoll, sich zu größeren Gesellschaften zusammenzuschließen, Gastspiele auszudehnen und nicht zuletzt feste, den reglementierten Tagesabläufen angepasste Vorstellungszeiten anzugeben.
Angesichts dessen genügte es nicht mehr, unmittelbar vor der nächsten Vorstellung eine Parade abzuhalten oder einfach „mit Pauken und Trompeten“ Publikum anzulocken.
Die Werbung musste den veränderten Bedingungen angepasst werden. Eine besondere Bedeutung kam dabei der Druckwerbung zu.
Die in diesem Zusammenhang Mitte des 18. Jahrhunderts vermehrt aufkommenden Anschlag- oder auch Ankündigungszettel für artistische Produktionen, Schaustellungen und Theatervorstellungen erfüllten zum Großteil vergleichbare Funktionen:
Die gedruckte Ankündigung Alles dessen, was ein Theater dem Publikum bekannt machen muß oder bekannt zu machen für gut hält. Die Z. sind sowohl für den Anschlag in den Straßen, als für Vertheilung in den Wohnungen und während der Vorstellung unter das Publikum bestimmt. (…) Bei einigen Bühnen unterscheiden sich die Anschlag-Z. von denen, welche dem Publikum während der Vorstellung gegeben werden, (…), so daß die letzten kleiner und handbarer sind.” (Allgemeines Theater-Lexikon, Altenburg und Leipzig 1842, Bd.7, S.239)
Das Theater-Lexikon deutet auch den entscheidenden Unterschied zwischen den Zetteln der örtlichen Theater und dem „martkschreierischen Bombast reisender Prinzipäle“ an. Erstere hatten eine ausgeprägtere informierende Funktion, während die Anschläge der Schausteller, Wanderbühnen und Artisten als direkte Vorläufer der Plakate zudem in verstärktem Maße Werbezwecken dienten.
Dies zeigt sich nicht nur in bisweilen reißerischen Anpreisungen, sondern mehr noch in der auffälligen Ausgestaltung ihrer Zettel mit markanten Lettern, zum Teil mit Zierrändern und -leisten, vor allem aber mit prägnanten Holzschnitten und seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuweilen auch Holzstichen. „Riesengroß und farbig“ waren die allenfalls auf farbiges Papier gedruckten Zettel in aller Regel jedoch nicht. Vielmehr entsprach die Größe zumeist ungefähr heutigen Din-A3-Bögen, oft fielen sie auch deutlich schmaler aus.

Für die örtlichen Druckereien werden die Zettel ein lukratives Geschäft gewesen sein. Da die Programme von Kunstreitergesellschaften und dergleichen während eines Gastspiels häufig - mitunter täglich - wechselten oder zumindest variierten, um zum wiederholten Besuch der Vorstellungen anzuregen, und da die Programmfolgen im Gegensatz zu den meisten späteren Circusplakaten genau aufgeführt wurden, mussten ständig neue Zettel unter Verwendung der von den Reisenden mitgeführten Druckstöcke für die Abbildungen gedruckt werden, die oft erst am Tag der Vorstellung aufgehängt bzw. verteilt wurden.

Durch die genaue Beschreibung der aktuellen Nummernfolgen und die Hinweise auf Vorstellungsorte und -zeiten unterschieden sich die Anschlagzettel von den bebilderten Schaustellerzetteln des späten 16. bis frühen 18. Jahrhunderts. Diese Einblattdrucke zählten eher zu den käuflich zu erwerbenden Flugblättern, warben in der Regel nicht für bestimmte Vorstellungen und beinhalteten allenfalls grob gefasste Angaben zu einem konkreten Gastspiel.
Die Ankündigungszettel hingegen wurden an Zäune und Bretterwände angeschlagen bzw. an Hauswände gekleistert, in öffentlichen Gebäuden sowie Gaststätten ausgelegt oder auch in Privathaushalte gebracht. Obwohl es hierfür vielerorts konzessionierte Zettelträger gab, zuweilen sogar Personen, die eigens die Anschläge besorgten, brachten Artisten- und Schausteller ihre Zettel nach Möglichkeit durch Arbeitsburschen oder Familienangehörige unters Volk.

Mitunter warben die Anschlagzettel für Benefiz-Vorstellungen zugunsten einzelner Artistinnen oder Artisten, denen die Einnahmen zugute kamen. Künstler, die beim Publikum besonders großen Erfolg hatten, konnten die meisten Benefize mit der Direktion aushandeln und somit beträchtliche Einnahmen erzielen. Aber auch für in Not geratene Mitglieder der Gesellschaft wurden Benefizveranstaltungen abgehalten.
1967 entdeckte John Lennon den Zettel einer Benefiz-Vorstellung von Pablo Fanques Circus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts in einem Antiquitäten-Laden und vertonte den Text. Der Song „Being for the Benefit of Mr. Kite!“ wurde Teil des legendären Albums „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“ der Beatles.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verdrängten (lithografierte) Plakate die Anschlagzettel mehr und mehr, ersetzten sie aber nicht vollends: Obwohl es durchaus kleinformatige lithografierte Plakate gab, blieben bis zum Aufkommen der zumeist im preiswerten Offset-Druck hergestellten sogenannten „(Laden-)Hänger“ für den Aushang in Geschäften und den Anschlag auf Scheunentoren, Bauzäunen, Mauern usw. aus Kostengründen auch im neuen Jahrhundert Kleinplakate im Typendruck mit einfachen Grafiken oder auch Autotypien im Einsatz. Einige waren auf farbiges Papier oder mit zwei Farben gedruckt, um ihre Auffälligkeit zu steigern.

Nicht alle Zettel waren bebildert. Dieses Exemplar des Circus Charles Hinné von 1863
erzielt seine Wirkung durch das farbige Papier und die große Vielfalt eingesetzter Typen. 

Anschlagzettel der Kunstreitergesellschaft von Louis Götz aus dem Jahr 1824
(Stadtarchiv Münster, Slg. Theaterzettel Nr.138)