Bild- sowie direkte und indirekte Textzitate nur unter genauer Quellenangabe!

Dienstag, 17. Dezember 2013

Karriereschub



Bernhard Paul, Direktor des Circus Roncalli“, hat sich große Verdienste um die Circusclownerie erworben. So erlebte das klassische Entree im Circus Roncalli eine neue Blüte – nicht zuletzt, weil er die neu belebten Klassiker oftmals in idealer Weise besetzte.
Allein das clowneske Talent des Direktors fiel da oft ab. Für manch einen hielt sich daher die Enttäuschung in Grenzen, wenn die durchweg mit weit mehr komödiantischen Begabungen ausgestatteten „Zweitbesetzungen“ den „Contra“ gaben … 
Für fremde Talente hatte Paul dabei ein umso größeres Gespür, wobei er neben der klassischen immer auch die moderne Clownerie pflegte. Vielen seiner Entdeckungen verhalf das Engagement bei Roncalli zu einem enormen Karriereschub, der in der Folgezeit zu Engagements bei anderen führenden Circussen führte. Die Figur des von Giovanni Huesca verkörperten „Fumagalli“, einer der populärsten Circusclowns der Gegenwart, kann sogar als eine Erfindung Bernhard Pauls gelten. 

David Shiner - Plakat in einem klassischen,
 auf die "Beggarstaff Brothers" zurückgehenden Stil

Fumagalli (Graphik: Peter Willemse)


Montag, 25. November 2013

Übernahme


Das Programm aus den späten 30er Jahren zeigt in typisch über-
steigerten Dimensionen den einstigen Circus Strassburger

Der Circus „Gebrüder Strassburger“ zählte zu den bedeutendsten Circusunternehmen der Weimarer Republik. 1935 verkaufte die Direktion infolge ständiger Angriffe, Boykottaufrufe und staatlicher Restriktionen gegen den „Judencircus“ das Geschäft an die befreundete Circusdirektorin Paula Busch. Die Geschäftsführung übernahm Emil Wacker, der diese Funktion schon bei Strassburger innehatte, wobei dort allerdings die Direktion weitaus mehr im Geschäft involviert war. Paula Busch engagierte sich im Zeltgeschäft nur wenig, die Familie wurde dort durch ihre Tochter Micaela repräsentiert, die zwischenzeitlich mit Wacker verheiratet war.
Die Strassburgers gründeten u.a. mit Material des in Konkurs gegangenen Circus Gleich einen neuen Circus Strassburger, der vor allem in den Niederlanden reiste und u.a. die Tradition erstklassiger Pferdedarbietungen fortführte.

Niederländisches Programm des Circus Strassburger mit neuer Fassade von 1939

Die alte Fassade vor dem ehemaligen Strassburger-Chapiteau auf einem sehr an-
sprechend gestalteten Programmcover des Circus Busch-Berlin aus den frühen 40ern 
- eine der besten Arbeiten von P.F. Tillmanns

Sonntag, 24. November 2013

Exoten


Picchioni

Wenngleich wissenschaftliche Untersuchungen* immer wieder bestätigten, dass das „Circusleben“ auch für viele „Wildtiere“, die im Übrigen nicht aus der Wildnis stammen, in entsprechend gut geführten Unternehmen durch intensive Hinwendung und Pflege, das fordernde Training und die Abwechslungen der Standortwechsel für das physische und psychische Wohlbefinden alles andere als abträglich ist, verbreiten Tierrechtsgruppen mit enormem Aufwand und Einflussnahmen auf Presse und Politik ihre gegenteilige Polemik – Ideologien brauchen Feindbilder. Leider nutzen nur selten Entscheidungsträger die Möglichkeit, sich vor Ort davon zu überzeugen, dass Circustiere i.d.R. das genaue Gegenteil von gequälten, gebrochenen oder gestressten Kreaturen sind.
Darüber hinaus stieg in den letzten Jahrzehnten der Aufwand bei der Unterbringung der für den Circus geeigneten Arten beträchtlich, wobei mit dem gestiegenen Platzbedarf die Anzahl der mitgeführten Tiere deutlich zurückging und einige Arten ganz verschwinden bzw. verschwunden sind. Im Circus gelten dabei alle Tiere außer Pferden, Haus- und Raubtieren als „Exoten“.
Vor nicht allzu langer Zeit waren gerade exotische Tiere noch ein wichtiger Reklamefaktor, der nicht zuletzt bei der Plakatwerbung eine große Rolle spielte - mitunter ist das auch heute noch der Fall.


1980

Colizzi verstand sich nicht nur auf Raubkatzen.

Reklamemarke 1914



Donnerstag, 21. November 2013

Freiheit und Abenteuer


Der bekannte Plakatentwerfer Carl Moos gestaltete mehrere anspre-
chende Plakate für Sarrasani, die zum Teil auch als Bildpostkarten 
Verbreitung fanden. Hier diente ein Friedländer-Plakat als Vorlage.

Hans Stosch Senior wusste idealisierte Bilder und Sehnsüchte in den Köpfen breiter Schichten zu bedienen und werbewirksam zu nutzen. Das „Morgenland“ und Indien waren Sehnsuchtsorte, in die diese Bilder projiziert wurden. Vor Sarrasanis Chapiteau stand eine gewaltige „maurische“ Fassade und er präsentierte seine Elefanten im schneeweißen Kostüm eines indischen Maharadschas.
Eine mit nicht minder „romantischen“ Vorstellungen von Freiheit und Abenteuer verbundene Welt war die des „Wilden Westens“.
Auch Hans Stosch hatte ein Faible für den „Wilden Westen“, genauer für das Bild, das infolge der Popularität Buffalo Bills oder der Bücher Karl Mays in unseren Breiten vom Westen vorherrschte. Western-Nummern bzw. Schaubilder und vor allem auch die echten Indianer waren ein Markenzeichen Sarrasanis. Gerne setzte er sich als Abenteurer oder Trapper in Szene. Diese Selbstinszenierung war Teil einer ausgeklügelten, überaus fortschrittlichen Webestrategie, die in den 20er Jahren auch die sehr erfolgreichen Groschenheftreihe „Sarrasani – Fahrten und Abenteuer“ mit fiktiven Erlebnissen Sarrasanis umfasste.

Die erste Südamerika-Tournee wurde propagandistisch in 
typischer Sarrasani-Manier ausgeschlachtet. Die Titel-
seiten einiger Hefte der Schriftenreihe „Mit Sarrasani in 
Südamerika“ entwarf der populäre Werbegrafiker
 Friedrich Kurt Fiedler.

Auf Plakaten und Programmheften tritt Stosch-Sarrsani als Cowboy
 bzw. Trapper oder häufiger noch als Maharadscha in Erscheinung.


Donnerstag, 14. November 2013

Fünfter Werbe-Blog


Mills 1957

In alten Circusprogrammen finden sich immer wieder Beispiele für ansprechend gestaltete Werbung. Eine Fundgrube sind insbesondere amerikanische Circusprogramme aus den 1930er bis 1950er Jahren sowie Programme des Circus Bertram Mills. Letzterer setzte auch wiederholt auf erstklassige Graphik bei seinen Plakaten und Programmcovern. Bei vielen anderen britischen Unternehmen war und ist das leider nicht der Fall.

Mills 1933

Der australische Gebrauchsgrafiker John Bainbridge ge-
 staltete in den 1950er und 60er Jahren zahlreiche originel-
le Anzeigen und Plakate für Firmen aus Großbritannien. 

Mittwoch, 13. November 2013

Hohe Schule


Friedländer-Plakat von F.L. Sonns auf der Festschrift zum 100jährigen Bestehen des "Circus Busch" 1984

Ein der klassischen Tradition verpflichteter Circus hat in der Regel eine „Hohe Schule“ im Programm, die oftmals von einem Mitglied der Direktionsfamilie geritten wird. Vor allem in heutiger Zeit steht im Circus dabei die Wirkung im Vordergrund, weniger die perfekte Ausführung sauberer Schulschritte. Dessen ungeachtet gibt es bis in unsere Tage erstklassige Darbietungen dieser Disziplin, ausgeführt von zumeist weiblichen Mitgliedern großer Circusdynastien wie Schumann, Smart, Gruss oder Knie.  

Emilien Bouglione, portraitiert von Renato Casaro

Auch hier reitet die Prinzipalin persönlich die Hohe Schule.

Oscar Knudsen 1954

Sonntag, 10. November 2013

Eyecatcher



Der Augustkopf ist ein wenig originelles, aber wirkungsvolles und deshalb überaus weit verbreitetes Motiv auf Circusplakaten. Lange Zeit war das Antlitz von Lou Jacobs allgegenwärtig, daneben zahlreiche Häupter namenloser Auguste, die von zumeist italienischen Plakatmalern mit oftmals grobem Pinselstrich gemalt wurden. Ein Meister darin war Franco Picchioni, aber auch seine Kollegen vermochten Clowns mit Charakter in einfacher und doch expressiver Malweise für Lagerplakate wie die hier abgebildeten zu gestalten, die von vielen Circussen genutzt wurden.
Vor allem kleine Circusse setzen weiter auf den Augustkopf als „Eyecatcher“ auf ihren Plakaten, wobei in den allermeisten Fällen leider ausdruckslose computergenerierte Bilder einfachster Machart genutzt werden, die ebenso austauschbar wie die Programme vieler Unternehmen sind. 

Colizzi





Freitag, 11. Oktober 2013

"Paprika-Schau"


... eines der Lieblingsplakate des Blockbetreibers (1968)

Im Gegensatz zu vielen anderen Grafikern, die Plakate für Film, Theater und Circus entwarfen, stand letzterer bei dem Ungarn Sandor Benkö (1922-2007) im Mittelpunkt des Schaffens.
Benkö zählte zu den bekanntesten Plakatentwerfern seines Landes, und ähnlich wie bei seinen polnischen Kollegen zeigten insbesondere seine Entwürfe aus den 1960er und 70er Jahren den Einfluss der „Pop-Art“. Bei Benkö stand dabei allerdings die Funktionalität i.d.R. nicht hinter dem künstlerischen Anspruch zurück: Seine heiteren, farbenfrohen Arbeiten waren im besten Sinne „plakativ“, damit höchst werbewirksam und wiesen oftmals Bezüge zum beworbenen Unternehmen auf. Benkö verstand es dabei in besonderer Weise, Schrift- und Bildelemente miteinander zu verbinden. 

Das Problem, großformatige Plakate zu fotografieren, dokumentieren al- 
le Abbildungen dieses Posts, hier kommen noch die Faltknicke hinzu.




Sonntag, 6. Oktober 2013

Peripherien



Die Popularität des Circus wurde immer wieder für Veranstaltungen genutzt, die mehr oder weniger mit der Unterhaltungsform zu tun hatten, unter deren Namen sie firmierten. Die Spanne reichte von Zelt-Discos, die als „Musik-Circus“ fungierten, bis hin zu reinen Verkaufsveranstaltungen.
Parteien engagierten bisweilen Circusse für kleine Wahlkampf-Tourneen. So präsentierte die SPD 1984 mit dem Material und Artisten des Circus Williams-Althoff einen „Europawahl-Circus“. Das Plakat gestaltete Klaus Staeck unter Verwendung eines Friedländer-Plakates für den Gentleman-Jongleur „Salerno“ vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Der berühmte Artist und Flugpionier jongliert hier, im zweiten Jahr der Kanzlerschaft Helmut Kohls, mit Birnen - darunter eine faule - statt Bällen.

Das "Circusleben" und die artistische Künste begeisterten immer wieder Menschen, die sich in alternativen Lebensformen versuchten. Die daraus entstandenen Alternativcircusse begründeten in Frankreich die Entwicklung zum „Cirque Nouveau“. In Deutschland waren die um 1990 durchaus zahlreichen Projekte der alternativen Circus-Szene i.d.R. recht kurzlebig,  hier kamen nachhaltige Neuerungen direkt aus dem artistischen Umfeld (Flic Flac) oder auch aus dem bürgerlich-künstlerischen (Roncalli).

Die dänischen Komiker und Circusfans Ostergard und Jensen griffen in ihrer reisenden Zeltshow viele circensische Elemente auf, ohne die Bezeichnung Circus zu nutzen. Sie nannten ihr kleines, aber feines Unternehmen wenig publikumswirksam „Hundeshow“. Mittlerweile präsentiert Flemming Jensen folgerichtig und mit Erfolg den „Circus Nemo“.

... eines der langlebigsten alternativen Circusprojekte:
Der 1980 gegründete "Fabrik-Circus" des "Internationalen
Kulturcentrums UfaFabrik" heißt heute "UfaCircus".

1994

Samstag, 21. September 2013

Freiräume


Witold Janowski 1973

Während weite Teile der polnischen Kunst von den 1950er bis in die 1980er Jahre dem „Sozialistischen Realismus“ verpflichtet waren, nutzten die Plakatkünstler Freiräume, die aus dem Nischendasein ihres Genres, das als vermeintlich nicht vollwertige Kunstform nur wenig (Be-)Achtung fand, erwuchsen. Als die polnische Schule der Plakatkunst dann zu einem Begriff in der internationalen Kunstszene avancierte, wurde sie staatlicherseits nicht nur toleriert, sondern auch gefördert.
Ein anderer Grund für diese Entwicklung war paradoxerweise, dass das Plakat im sozialistischen Wirtschafts- und Kulturbetrieb weitgehend seiner eigentlichen Funktion enthoben war. Es diente nicht mehr in erster Linie als Werbe-, sondern vornehmlich als künstlerisch gestaltetes Informationsmittel. Nicht zuletzt bei vielen Circusplakaten traten gestalterische Aspekte sogar völlig in den Vordergrund und die künstlerische Arbeit wurde insbesondere infolge ihrer weltweiten Beachtung zum Selbstzweck. 

Tadeusz Jodlowski 1965

Jan Sawka 1974

Dienstag, 10. September 2013

Phantastischer Realist




Die Entwürfe von Hugo Siegrist zeugen von ausgeprägten maltechnischen Fähigkeiten und weisen oftmals auf seine einige Jahre währende Tätigkeit als Schaustellermaler hin. Seine gelungenstes Circusplakat stellt sicher das in diesem Blog an anderer Stelle abgebildete Poster dar, mit dem der Circus Knie bei den Schweizerischen Bundesbahnen warb.
Neben phantastisch-stimmungsvollen Bildern vermag Siegrist in seiner naturalistischen Malweise auch zumeist recht treffende Portraits auszuführen. So gestaltete er für den „Österreichischen Nationalcircus“ von Louis Knie sen. aufwändige Illustrationen mit der Direktionsfamilie und den Höhepunkten der ersten Programme.





Plakat im Stil der 30/40er Jahre: Knie 1989

Donnerstag, 5. September 2013

Einjähriges



Ein Jahr ist „circusplakate.blogspot.de“ nun alt und erfreut sich einer überraschend großen Resonanz.
Mir bereitet dieser Blog selbst große Freude und hat mein altes Interesse am Circus, das zuletzt hinter der Beschäftigung mit dem Thema „Schaubuden“ ein wenig zurücktreten musste, deutlich wiederbelebt.
Mittlerweile sind es fast 80 kommentierte Posts mit jeweils drei oder vier Abbildungen von Plakaten, Programmen, Handzetteln und Postkarten - fast ausschließlich "Originale"*, die sich mit einer gekennzeichneten Ausnahme in meiner Sammlung befinden. 
Mitunter nutze ich für einen neuen Beitrag Bilder aus älteren Posts, die dort natürlich ersetzt werden. Darüber hinaus werden öfter Neuerwerbungen in passende ältere Posts eingefügt.
Es lohnt sich also, hin und wieder die Buttons „Ältere Posts“ anzuklicken, zumal auch gelegentlich ältere Texte verändert bzw. ergänzt werden.
Zum Jubiläum zeige ich nachfolgend drei weitere klassische Circusplakate des Spaniers „A. Peris“, dessen Arbeiten in Deutschland durch die in einem anderen Post bereits vorgestellten gelungenen Entwürfe für den „Spanischen Nationalcircus“ von Carola Williams Verbreitung fanden. 








Donnerstag, 29. August 2013

Polski-Pop


Tadeusz Jodlowski 1979

Trotz der vielen in diesem Blog vorgestellten gegensätzlichen Beispiele, gelten Circusplakate ebenso wie die artverwandten Filmplakate aufgrund spezieller Anforderungen zu Recht gemeinhin nicht als typische Vertreter der zeitgenössischen Plakatkunst.
In Polen war dies jedoch seit Beginn der 1950er Jahre anders. Viele der herausragenden polnischen Grafiker widmeten sich dem Sujet und das polnische Circusplakat wurde zu einem Inbegriff in der internationalen Plakatszene. Die bekanntesten Beispiele stammen aus den 60er und 70er Jahren und lassen sich oftmals stilistisch der damals vorherrschenden „Pop-Art“ zurechnen. In anderen künstlerischen Bereichen wäre ein so weitgehende Orientierung an westlicher Kunst, wie sie nicht zuletzt die fast schon "psychodelischen" Arbeiten Tadeusz Jodlowskis zeigen, unmöglich gewesen.

Bohdan Bocianowski 1975

Tadeusz Jodlowski 1968

.... fast schon eine Persiflage auf Roy Lichtenstein: 
Jan Mlodozeniec 1969

Freitag, 5. Juli 2013

Der Pressemann


Dieses wunderbare Cover Roland Butlers zeigt die herausragende Kunstreiterin
Dorothy Herbert, einer der damaligen Stars des amerikanischen Circus.
Wie viele gelungene Circus-Grafiken wurde auch dieses Motiv oft schlecht

 kopiert, wobei sich Butler allerdings selbst an einem älteren RBBB-
Programmtitel orientiert hatte.

Hinter dem Erfolg vieler großer Circusse standen nicht zuletzt die Pressesprecher, von denen einige in Circuskreisen einen fast legendären Ruf besitzen. Einer, der alle Seiten dieses schwierigen Metiers beherrschte, war der Amerikaner Roland Butler. Butler, wie viele Kollegen ein gelernter Zeitungsmann, begann als Vorreisender und Pressebetreuer bei Sparks Circus und war lange Jahre Pressechef bei Ringling Bros. Barnum & Bailey. Sein großes Talent als Grafiker wusste er in idealer Weise mit seinem Beruf zu verbinden. Butler gestaltete Werbeanzeigen, Briefköpfe, Programm-Cover und nicht zuletzt Plakate, von denen einige zu Klassikern avancierten. 

1952