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Dienstag, 30. April 2013

Alles nur Fassade


Die "maurische" Fassade des "alten" Sarrasani - Programmtitel um 1930

Eine einladend gestaltete Frontpartie ist ein wichtiges Aushängeschild eines jeden Circus’. Ein zentraler Bestandteil ist hierbei der eigentliche Einlass. Auf alten Fotos früher Zeltcircusse sieht man oftmals bemalte Stirnseiten der Einlass- bzw. Restaurationszelte – eine Tradition, die niemals ganz ausstarb und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den Circus Roncalli neu belebt wurde.
Anfang des 20. Jahrhunderts kamen bei großen Circussen prachtvolle Fassaden auf, die in den 20er und 30er Jahren enorme Ausmaße erreichten und das äußere Erscheinungsbild vieler Unternehmen entscheidend prägten. Ihr häufig vermeintlich „orientalischer“ Stil verstärkte Vorstellungen, die das Publikum mit der „Exotik“ des Circus verband.
Der Aufbau solch einer riesenhaften Fassade, die oftmals auch ein Orchesterpodium für die Einlassmusik umfasste, war enorm arbeits- und zeitaufwändig. Nach dem Krieg fielen in Westdeutschland die Fassaden in der Regel daher kleiner aus und waren dem Zeitgeschmack folgend nüchterner gestaltet. Ein wichtiger Bestandteil des Erscheinungsbildes von Circussen wie Adolf Fischer, Krone oder Sarrasani blieben sie aber weiterhin.

Mitte 30er Jahre

In der DDR bauten die Circusse in den 1950er Jahren noch große,
augenfällige Fassaden auf. Busch setzte dabei nicht auf moderne 

Formen, sondern nutzte weiterhin die Front des Circus Jakob
 Busch, aus dem er  hervorgegangen war.


Ben Hur



Ende der 1920er Jahre wandelte sich Krone, der zuvor nach amerikanischem Vorbild mit drei Manegen in einem großen Oval gereist war, in einen reinen „Rennbahncircus“ mit einem sich 70m ausdehnenden Oval. In Anbetracht der Werbewirkung des überaus populären Moumentalfilms „Ben Hur“ von 1925 durfte natürlich das „römische Wagenrennen“ im Programm nicht fehlen.
In der Folgezeit traten immer wieder „Rennbahncircusse“ in Erscheinung, am konsequentesten hielt in der Nachkriegszeit Franz Althoff daran fest.
Obwohl große Tiergruppen im weiten Oval von besonderer Wirkung waren, konnte sich die Rennbahn ebenso wie Drei-Manegen-Circus oder die vergrößerte Manege des Vorkriegs-Sarrasani nicht durchsetzen. Die hergebrachte 13 Meter-Manege erwies sich als ideale Präsentationsfläche für klassische Circusprogramme, insbesondere für die Vorführung von Pferdenummern. 



1962, Dir. Alexis Gruss

Dieser von Amar und Bouglione eingesetzte Entwurf stammt von Toni Bernat.

Sonntag, 28. April 2013

Im Banne der Hypnose


Napoli

Wenn "Karah Khavak" mit seinen Krokodilen in einem Programm engagiert ist, so in der Regel als Reklamenummer.
Dabei kann man bei Reptilien kaum von einer "Dressur" sprechen, da diese Tiere nicht sonderlich gelehrig und noch dazu überaus vergesslich sind. Reptilien werden somit „lediglich“ vorgeführt - oftmals unter Ausnutzung des Umstandes, dass sie wechselwarm und somit bei niedrigeren Temperaturen weniger lebhaft sind. 
Die verschiedenen Mitglieder der Familie Kocka, die seit den 1930er Jahren den Künstlernamen „Karah Khavak“ nutzen, verstehen sich besonders auf die effektvolle Präsentation von Krokodilen, wobei sie ihre Nummer meist „indisch“ verkaufen und die Tiere zu hypnotisieren vorgeben. 
Zuvor feierten bereits der aus Italien stämmige "Blacaman" und seine vormalige Assistentin "Koringa" mit ähnlichen Darbietungen große Erfolge.


"Koringa" auf einem Programmcover von "Mill's Circus" von 1938

Der erste „Karah Kavak“ auf einem Programm des Circus Jacob Busch aus den frühen 1940er Jahren:
„Karah Khavak’s wilde Riesenkrokodile im Banne der Hypnose unter dem Willen ihres Bezwingers."
(Tillmanns)

Colizzi

Samstag, 13. April 2013

Geh'n wir mal zu Hagenbeck


Dieser Titel eines der letzten Carl Hagenbeck-Programme stammt von Wilhelm Eigener. 
Eigener gestaltete danach noch viele Plakate und Führer für Hagenbecks Tierpark.

Während der Name "Hagenbeck" heute vornehmlich mit dem weltberühmten Hamburger Tierpark in Verbindung gebracht wird, stand er bis in die frühen 1980er Jahre ebenso für großen, klassischen Tier-Circus.
Der vom bekannten Tierhändler und Zoodirektor Carl Hagenbeck 1887 gegründete Circus zählte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den führenden Circusunternehmen, wobei Carl Hagenbeck zwischenzeitlich weltweit mehrere Circusse betrieb, die von seinem Sohn Lorenz geleitet wurden. Ende der 40er Jahre belebte Lorenz den Circus Carl Hagenbeck neu, allerdings existierte dieser letzte große Circus "Carl Hagenbeck" nur wenige Jahre.
Auch Carls jüngerer Bruder Wilhelm betrieb einen großen  Circus, der nach seinem Tod von seinem Sohn Carl fortgeführt und Mitte der 1950er Jahre von dessen Witwe Friederike unter der Leitung Adolph Althoffs kurze Zeit wiederbelebt wurde.
Dass der "Circus Hagenbeck" auch in der Nachkriegszeit ein Begriff blieb, ist jedoch Willy Hagenbeck zu verdanken, einem anderen Sohn Wilhelm Hagenbecks. Willy Hagenbeck verpachtete seinen Namen 1961 an Oskar Hoppe, dessen Witwe Ingrid stellte den Circus 1982 noch vor Saisonbeginn krankheitsbedingt ein. *

Programmtitel von Bernd Steiner (1884-1933) aus dem Jahr 1923

Im letzten Jahr seines Bestehens firmierte der bisherige Circus Willy Hagenbeck unter „Ingrid Hagenbeck“. 
Das in der Folgezeit von einigen anderen Circussen  genutzte Plakatmotiv unterscheidet sich in seinem 
„nostalgischen“ Stil deutlich von den damals verbreiteten Circusplakaten – eine Auswirkung des „Roncalli-Effekts“.


*Die Ausführungen zur Geschichte der Hagenbeck-Circusse fußen größtenteils auf: Ernst Günther: Die Zirkusse der Hagenbecks. In: Gretzschel, M., Pelc, O.: Hagenbeck. Tiere, Menschen, Illusionen. Hamburg 1998, S.54-57. Auf Ernst Günther geht auch der Begriff "Roncalli-Effekt" zurück.