Bild- sowie direkte und indirekte Textzitate nur unter genauer Quellenangabe!

Donnerstag, 24. November 2016

Akrobat - schööön!



1971

Als der berühmte Charlie Rivel 1971 noch einmal auf Tournee ging, musste er eine Erfahrung machen, die auch anderen berühmten Komikern und Clowns nicht fremd war: Allenfalls der große Name zog noch, kaum aber die Kunst – und das war nicht allein der schwindenden körperlichen Leistungsfähigkeit geschuldet. Ein Rezensent der „Zeit“, der 1971 in der nur sehr spärlich gefüllten Berliner Deutschlandhalle noch einmal die lebende Legende erlebte, brachte schon damals auf den Punkt, was heute im Allgemeinen mit einem Überangebot und einer Übersättigung durch elektronische Medien in Verbindung gebracht wird: Es passiert den Leuten zu wenig. Die Lautlosigkeit gemächlicher pantomimischer Ereignisse wird als Ereignislosigkeit missdeutet. Oder so: aus einer Volkskunst, die in den zwanziger Jahren einmal große Häuser spielend gefüllt hatte, ist ein sensibler Spaß für ein paar empfindsame Intellektuelle geworden, fast so ein Minderheitenspaß wie ein Streichquartettabend.“

Titelillustration von Kurt Hilscher für ein Wintergarten-Programm des Jahres 1937

Um 1940 genoss Rivel in Deutschland große Popularität.

Filmplakat 1964

Dienstag, 22. November 2016

Engel der Tollkühnheit


Polnisches Circusplakat von Maciej Urbaniec (1964)

J. Fenneker, Lustige Blätter 1933
Die Trapezartistin, eine weitere Ikone des klassischen Circus, bildet häufig auch in Programmen des „Nouveau Cirque“ ein zentrales Element und hat nichts von ihrer schon viele Künstler inspirierenden Faszination verloren.
Ein ernster Engel der Tollkühnheit war sie mit gelösten Lippen und gespannten Nüstern, eine unnahbare Amazone des Luftraumes unter dem Zeltdach, hoch über der Menge, der vor starrer Andacht die Begierde nach ihr verging.“ (Thomas Mann, Felix Krull)
Das immer wieder mit durch den Raum schwingenden Trapezkünstlerinnen in Verbindung gebrachte „losgelöst-schwebende Engelhafte“ wird nicht zuletzt in Wim Wenders Film „Der Himmel über Berlin“ wunderbar in Szene gesetzt.
Die eigentümliche Ästhetik dieser scheinbar aller Erdenschwere enthobenen Kunstausübung mit ihren erstaunlichen Trickfolgen gewinnt ihre besondere Faszination dabei erst angesichts des Muts der Artistinnen und der latenten Gefahr das jähen Absturzes. 
Nicht zuletzt üben die Artistinnen, die Körperbeherrschung, Waghalsigkeit und eine selbstbewusst-feminine Ausstrahlung vereinen, eine gewisse erotische Ausstrahlung aus, die Maler und Grafiker, allen voran Felicien Rops, in gefälligerer Weise später aber auch amerikanische Pin Up-Künstler wie Gil Elvgreen, William Fulton Soare, Enoch Bolles oder hier Al Moore einfingen:


Cover von Kurt Heiligenstaedt 1932

Polnisches Circusplakat von Witold Janowski (1975)

Samstag, 12. November 2016

Film ab: Progress(ives)


Klaus Vonderwerth 1967

Das künstlerische Niveau von Plakaten aus der DDR näherte sich in nennenswerter Weise erst in den 1980er Jahren dem anderer sozialistischer Staaten wie zuvorderst Polen und die Sowjetunion an. Eine Ausnahme bildeten seit den 1960er Jahre recht progressive Filmplakate für den Einheits-Filmverleih „Progress“.
Die hier abgebildeten Circusfilm-Plakate Jahren stammen von drei bedeutenden DDR-Plakatkünstlern, so der vielfach ausgezeichnete Werner Gottsmann oder der vielseitige Gebrauchsgrafiker Klaus Vonderwerth, der auch durch seine Plattencover und Karikaturen bekannt wurde.

Werner Gottsmann 1964

Otto Kummert 1967

Dienstag, 1. November 2016

Ausgezeichnet



1975

Eine weitere Größe unter den polnischen Plakatentwerfern, die u.a. Circusplakate gestalteten, war der 1931 in Kattowitz geborene, für seine Plakate mit einer enormen Anzahl internationaler Preise ausgezeichnete Waldemar Swierzy. Swierzy, der auch als Buchillustrator und Bühnenbildner tätig war, experimentierte zeitlebens mit unterschiedlichsten Ausdrucksformen, sprühte vor originellen Ideen und beherrschte wie alle umfassend ausgebildeten polnischen Plakatkünstler verschiedenste handwerkliche Techniken.


1967

1975


1965


Sonntag, 30. Oktober 2016

Meister Petz


1966

Bären sind die Tiere, die am engsten mit umherziehenden Gauklern früherer Zeiten in Verbindung gebracht werden. Tatsächlich zogen bis in erste Drittel des 20. Jahrhunderts hinein zahlreiche Bärenführer durch unsere Breiten – oftmals Roma, die ansonsten unter den fahrenden Artisten keine bedeutende Rolle spielten.
Bis in die jüngere Vergangenheit bildeten Bären neben Rhesusäffchen und Kamelen zudem häufig den „exotischen“ Tierbestand kleiner durch die Lande ziehender Arenen und Circusse.
In unseren Tagen sind Bären weitgehend aus westeuropäischen Circussen verschwunden. In Osteuropa hingegen, wo sich Bärendarbietungen seit jeher großer Beliebtheit erfreuen, sind sie nach wie vor in den Manegen und auf den Circusplakaten präsent.

Marek Freudenreich 1966

Gustaw Majewski 1975

Zdenek Vlach


Circusprinzessinnen


Farbdruck eines Bildes von Francois Flameng
in einer französischen Illustrierten des Jahres 1893

Die Kunstreiterin als klassisches, den traditionellen Circus symbolisierendes Motiv wurde ebenfalls in diesem Blog als Gegenstand zahlreicher Plakate, Programmcover und illustrierter Werbeanzeigen bereits mehrfach thematisiert. Doch auch über solch funktionale Zusammenhänge hinaus inspirierte das Bild der „Ballerina zu Pferd“ immer wieder Künstler und Gebrauchsgrafiker zu verschiedenartigsten künstlerischen Umsetzungen. 

Karikatur von Auguste Roubille aus dem Jahr 1902

Russische Grafik zum 50jährigen Bestehen des Staatscircus

Polnisches Plakat von Tadeusz Jodlowski 1975


Sonntag, 23. Oktober 2016

Neu im Programm


... eine elegante, mutige Schönheit, die selbstbewusst und ohne wildes 
Gehabe ihren tierischen Partnern begegnet: Grafiken des Jugendstils
 wie diese von Georg Sturm oder die Titelseite Adolf Münzers spiegeln
 
das Auftreten vieler Dompteusen dieser Zeit wider

Bislang wurden in diesem Blog mit Ausnahme einiger Exkurse in verwandte Bereiche vornehmlich Circusplakate und Programmcover vorgestellt. Zukünftig wird der Bereich der „Circus-Grafik“ weiter gefasst und auch Illustrationen aus Zeitschriften und Büchern vornehmlich aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgenommen.
Den Anfang macht mit der Raubtierdompteuse eine als Gegenstand vieler Plakate hier bereits thematisierte Figur, die aufgrund mythologischer und psychologischer Aspekte sowie sozial- bzw. kulturgeschichtlicher Hintergründe vor allem in der Vergangenheit, aber auch noch in der Gegenwart von besonderer Faszination ist. Diese Variation des „Die Schöne und das Biest“-Themas wurde nicht zuletzt immer wieder in der Malerei aufgenommen, so beispielsweise von Otto Dix, Tsuguharu Foujita oder Botero. 

Holzstiche aus illustrierten Zeitschriften des späten 19. Jahr-
hunderts vermitteln realitätsnahe Einblicke in das damalige 
Alltagsleben. Das selbstbewusste Auftreten von Artistinnen,
 insbesondere der Dompteusen, stand im größten Gegen-
satz zum verbreiteten Frauenideal dieser Zeit.

Adolf Münzer schuf zahlreiche Illustrationen für die „Münchner 
Jugend“, so diesen ansprechenden Titel aus dem Jahr 1903. 

Grafik von Gerhard Grimm aus dem Jahr 1980


Freitag, 7. Oktober 2016

Bestiarium



Moderne Präsentationsformen exotischer Tiere, die ihre Lernfähigkeit, Schönheit, natürlichen Bewegungsmuster und das vertrauensvolle Zusammenspiel mit dem menschlichen Partner in den Mittelpunkt rücken, haben durchaus weit in die Geschichte der Tierdressur zurückreichende Wurzeln. Immer wieder stellten Dresseure und Dompteure die „Zahmheit“ und Friedfertigkeit ihrer Tiere heraus. Dressierbarkeit und Sanftmut galten als Zeichen für Intelligenz, als besonders „klug“ galten dabei Elefanten und Affen, denen menschliche Tätigkeiten und Verhaltensweisen andressiert wurden. Hagenbeckes „humane Dressurmethode“ insbesondere von Raubkatzen verliert vor diesem Hintergrund ein wenig von ihrer historischen Bedeutung, da ganz ähnliche Methoden schon 100 Jahre zuvor praktiziert wurden und bei einem entsprechend friedfertigen Zeitgeist auch einige Jahrzehnte weit verbreitet waren.
Im Gegensatz dazu versuchten Schausteller und Circusleute einem sensationsheischenden Publikum aber auch immer wieder, exotische Tiere“ als wilde Bestien zu verkaufen und in einem „wilden Stil“ vorzuführen. Reißerische, unwahre Anpreisungen und Erläuterungen trugen in nicht geringem Maße dazu bei, dass falsche Vorstellungen und Vorurteile über bestimmte Tiere zum Teil bis in die jüngste Vergangenheit fortwirkten.
Ein Beispiel ist der Gorilla, der bis ins frühe 19. Jahrhundert kaum bekannt war. Ins allgemeine Bewusstsein rückte dieser „wilde Waldmensch“ durch Expeditionsberichte und nicht zuletzt aufgrund von Gerüchten über angebliche Entführungen von Frauen durch männliche Gorillas und eine entsprechende skandalträchtige Skulptur des Bildhauers Emmanuel Friemet. Die Schausteller, insbesondere Panoptikumsbesitzer, nahmen sich dieses wie für sie geschaffenen Themas rasch an, spätestens als das Gerücht von der Entführung einer weißen Farmerstochter die Runde machte. Bald griff der Film mit „King Kong“ das Thema auf; zahlreiche weitere Filme, Trivialromane, Berichte in Boulevardblättern und auch die Präsentation des Gorillas in Schaustellungen und Circussen (so „Gargantua“ bei RBBB) verbreiteten ein völlig verfälschtes Bild von diesem Menschenaffen.   





Dienstag, 21. Juni 2016

Schriftliches



Das Programm des dänischen Circus „Arli“ zeigt eine typische, bis in die Gegenwart immer wieder gern verwendete „Circus-Typografie“.
Diese Schrift schafft zwar wie kaum eine andere einen Bezug zum Sujet – durch ihre weite Verbreitung eignet sie sich jedoch wenig als Teil eines „corporate designs“.
Viele Circusse nutzten und nutzen hingegen individuelle, einprägsame und auffällige Schriftzüge als Erkennungszeichen auf Druckwerbung, Fassaden und Wagenpark. Diese grafisch gestalteten Schriftzüge spiegeln oftmals den Zeitgeschmack und weisen in den besten Fällen zudem einen ausgeprägt „circensischen“ Charakter auf.
Vor allem bei der Gestaltung von Programmcovern wagten sich einige Grafiker daran, spielerisch und weitgehend ohne Rücksichtnahme auf funktionale Beschränkungen die Schrift in den Vordergrund zu stellen.
Das einfache, aber wirkungsvolle Plakat aus der Frühzeit des 1992 gegründeten Circus Flic Flac mit seinen reduzierten Bildelementen zeigt allerdings, dass sich Funktionalität und Originalität nicht ausschließen müssen. Der Entwurf spiegelt perfekt den heiteren und verspielten Stil der originellen Programme der ersten Jahre, die sich völlig von den ernsten, harten und "farblosen" Artistik- bzw. Stuntshows späterer Zeiten unterscheiden.
Auf den ausgezeichnet gestalteten Programmtiteln des Circus Monti von 1990 (Zebedäus Gremper) sowie des Circus Aeros von 1967 dient die Schrift noch mehr als bestimmendes Gestaltungsmittel. Letztgenannte Arbeit stammt von dem hervorragenden Gebrauchsgrafiker Christoph Ehbets, der u.a. zahlreiche LP-Cover und höchst eigenwillige künstlerisch gestaltete Filmplakat schuf.







Freitag, 1. April 2016

Stars in der Manege


Anfang der 1950er Jahre kooperierte der Circus Gruss mit dem Radiosender
 RTL. "Zappy Max", ein seinerseits sehr populärer Radiomoderator und
Entertainer wurde dabei in der Werbung groß herausgestellt. Das abgebil-
dete Programmcover gestaltete der berühmte Plakatkünstler Charles Kiffer. 

Die Anziehungskraft Prominenter nutzen und nutzten Circusse mit wechselndem Erfolg, um Publikum anzulocken. Waren es zunächst bekannte Namen von Bühne, Film und Rundfunk, die zeitweise und nicht immer auf den Höhepunkten ihrer Karrieren reklameträchtig auf Circusplakaten auftauchten, so versuchen einige Circusdirektoren seit den 1960er Jahren bisweilen mit bekannten Gesichtern aus dem Fernsehen zu werben - dem für den Zuschauerschwund lange Zeit verantwortlichen Medium. Im Circus Franz Althoff veranstaltete beispielsweise der populäre Quizmaster Lou van Burg in den Jahren 1966 und 67 Quiz-Einlagen während der Programme in einigen Städten; Carl Althoff präsentierte 1980 mit Karl Kossmayer in den Niederlanden kurzzeitig den Circus „Sjoujke Dijkstra“, benannt nach der in Holland überaus beliebten Ehefrau Kossmayers, die in den 1960er Jahren Europa- und Weltmeisterin sowie Olympiasiegerin im Eiskunstlaufen war.
Langlebig und sehr erfolgreich war hingegen nicht zuletzt aufgrund der werbewirksam herausgestellten Fernseh-Prominenz der zunächst als Circus „Safari“ firmierende Circus Barum des „als Jens Claasen vom Fernsehen bekannten “ „Fernseh-Star-Dompteurs“ Gerd Siemoneit.

Der berühmte Operettensänger Luis Mariano war in den Jahren 
1957 und 59 mit dem französischen Circus Pinder auf Tournee.  

... und 1958 die nicht minder populäre Chansonette Gloria Lasso.

1970

Sonntag, 14. Februar 2016

Insider


Pipo Sosman jun.

Rolf Knie jun., Bruder von Fredy Knie jun., dem künstlerischen Direktors des Schweizer Circus Knie, wuchs im elterlichen Unternehmen auf, wo er den mit der Familie eng verbundenen Künstler Hans Falk kennen lernte. Die Malerei entwickelte sich zunehmend zur zentralen Profession von Rolf Knie, der Mitte der 1980er den Circus verließ, der Circuswelt aber immer verbunden blieb und seit einigen Jahren die Show „Salto Natale“ produziert. Durch seine bereits in jungen Jahren begonnene leidenschaftliche Arbeit als Clown kam Knie zudem zur Schauspielerei und er arbeitete zwischenzeitlich als Bühnen- und Filmschauspieler.
Die Circuswelt blieb immer ein großes Thema seiner Arbeiten – und natürlich gestaltete er auch Plakate für DEN Circus Knie:






Samstag, 6. Februar 2016

Bulls Tiger



Auf obigem Titelbild einer Ausgabe der "Saturday Evening Post" von Stevan Dohanos aus dem Jahr 1945 verkleben Mitglieder einer Reklamekolonne eines der wohl bekanntesten und am häufigsten kopierten Circusplakate aller Zeiten.
Das Original schuf Charles Livingston Bull 1915 für den Ringling Bros. Circus. 
Bis in unsere Tage sind Versionen des angreifenden Tigers auf Circusplakaten und -programmen abgebildet, die nachfolgende ziert ein Programmheft des Carson & Barnes Circus von 1936. Die wilde Bestie schaffte sogar den Sprung in die große Kunst: Einer der Tiger auf Salvadore Dalis Bild „Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine Sekunde vor dem Aufwachen“ von 1944 hatte offensichtlich Bulls Original zum Vorbild. 



um 1977



Dienstag, 26. Januar 2016

Pierre Etaix


Filmplakat von André Francois (1965)

Pierre Etaix, Jahrgang 1928, werden viele Menschen in erster Linie als Filmemacher und Schauspieler kennen. Dabei war Etaix im Herzen immer ein Clown - und tatsächlich trat er schon vor und später auch während seiner Karriere im Filmgeschäft als Bühnen- und Circusclown auf. 1969 heiratete er die Clownin Annie Fratellini, Enkelin Paul Fratellinis vom weltberühmten Fratellini-Trio. Pierre Etaix und Annie Fratellini waren ungefähr ein Jahrzehnt lang als Clown-Duo aktiv.
Auch seine zeichnerische Profession übte der gelernte Grafiker Etaix zeitlebens aus, u.a. arbeitete er wie viele bedeutenden Zeichner Frankreichs in jungen Jahren für das Journal „Le Rire“. Die folgenden Programmtitel stammen aus der Zeit um 1990.