Bild- sowie direkte und indirekte Textzitate nur unter genauer Quellenangabe!

Samstag, 20. Januar 2018

Anthropomorphismen


Cover des Programmheftes von 1942 (Peter Arno)

1942 bot der der Ringling Bros. Barnum & Bailey Circus seinem begeisterten Publikum eine besondere Attraktion: Zur eigens von Igor Strawinsky komponierten Musik führten 50 Tänzerinnen und ebenso viele (!) Elefanten in rosafarbenen Tutus ein „Elefanten-Ballett“ auf.
Solch eine Darbietung wäre heutzutage aus vielerlei Gründen undenkbar. Kostümierte Tiere gehören in den Manegen unserer Breiten der Vergangenheit an und andressierte „menschliche“ Verhaltensweisen werden allenfalls noch mit einem Augenzwinkern auf humorvolle und tiergerechte Weise präsentiert.
Dressurstile und -methoden ändern sich mit dem Zeitgeist. Bis weit in die 1980er Jahre waren berockte, Roller fahrende Bären, verkleidete Hündchen oder beispielsweise „Rockmusiker“ „nachäffende“ Schimpansen besonders zur Freude der kleinen Circusbesucher noch oft Teil der Circusprogramme und tatsächlich standen solche Darbietungen in einer langen Tradition. In früheren Jahrhunderten galten Dressierbarkeit und die vermeintliche „Menschenähnlichkeit“ bestimmter Tierarten als ein Zeichen von „Klugheit“, die durch menschliches Verhalten imitierende Dressuren herausgestellt werden sollte. 

Waldemar Swierzy 1974

um 1950

Holzschnitt auf dem Ankündigungszettel eines "Affen- und Hundetheaters", 19.Jh.

Mittwoch, 17. Januar 2018

Kult-Clowns



Die „3 Fratellini“ - die Brüder Paolo, Francois und Alberto – waren die mit Abstand berühmtesten Clowns der 1920er und 30er Jahre. Ihre originellen, oft skurrilen Entrées lockten die Massen in die Circusse und Varietés und waren stilprägend für die folgende Generationen von Clown-Trios, die jedoch in den seltensten Fällen die karikaturenhafte Überzeichnung der Figuren und ihr groteskes Spiel dermaßen auf die Spitze trieben.
In allen Papierläden lächeln auf Postkarten ihre Gesichter, die Bonbonnieren zeigen (…) ihre Köpfe, auf Kissen sind sie in Seide gestickt, dicke Bücher sind über sie geschrieben, für besondere Enthusiasten hat man portaitähnliche Spazierstöcke hergestellt. (…)
Da treiben sie ihren grotesken Chaosspuk, graziös wie Tiere, überzeugend wie Karikaturen, idiotisch darauf versessen, die physikalischen Gesetze zu durchbrechen, listig ung geohrfeigt, wütend und erstaunt, befangen in ihren fatalen Unternehmungen (…) - und rühren an früheste süßeste Kindheitsträume, wenn sie mit ernsten Mienen ihren Instrumenten paradiesische Töne entlocken.“ (aus einer zeitgenössischen Ausgabe der Zeitschrift „Das Illustrierte Blatt“)

Sammelbildchen von Walter Tier, der mit den Fratellinis befreundet war 


Titel von Kurt Hilscher 

Alberto Fratellini in einer Ausgabe von "La Vie Parisienne" aus dem Jahr 1924
Illustration von Georges Léonnec


Freitag, 5. Januar 2018

Eigen-Art


Amerikanisches Magazincover aus dem Jahr 1952

Ein Circusbesuch spricht alle Sinne an - und genau das macht ihn zu einem vielleicht anachronistischen, aber unbedingt erhaltenswerten und einmaligen Erlebnis. Circusse, die auf Tiere verzichten oder sie, wie neuerdings einer der Branchen-Größen, durch als solche kostümierte Darsteller oder gar Projektionen ersetzen, werden letztlich austauschbar mit anderen Unterhaltungsformen. Mit einem Verzicht auf Tierdressuren werden dem Circus Bilder, Bewegungsabläufe, Erlebnisse, Stimmungen, Gerüche, Traditionen, Beziehungen, Leistungen, Anachronismen – kurz: sinnlich-ästhetische Dimensionen – genommen, die ihn ausmachen. Auch wenn es durchaus wunderbare Artistik-Shows unter dieser Bezeichnung gibt, einem "Circus", der nicht zumindest Pferde-Darbietungen präsentiert, fehlt das "Gewisse Etwas".

Programmcover 1992 mit einem Bild von Frederic Menguy

Astrid Engels